Liebe Freunde,

manchmal führt einen das Schicksal an der Nase herum. Mein Nachname ist Burghardt. Ich liebe das Mittelalter. Ich liebe Burgen. Ich habe einen Garten. Was sollte da anderes passieren, als dass ich mir eine mittelalterliche Burg baue?

Keine kleine Spielburg, versteht mich nicht falsch. Eine echte Burgruine aus historischen Sandsteinen. Mit Feuerstelle, Fenstern und allem, was dazugehört. Klingt verrückt? War es auch. Aber manchmal muss man seinen Träumen folgen, auch wenn sie einen fast umbringen.

Der Steinberg des Grauens

Es fing an, wie die besten Geschichten: mit einer völlig unterschätzten Idee. Ich wollte echte, historische Steine. Also kaufte ich bei einem Antik-Händler, der abgerissene Gebäude aufkauft – alte Schmieden, Marktpassagen, manchmal sogar Burgen – achtundzwanzig Tonnen Sandstein.

Achtundzwanzig. Tonnen.

Zwei LKW-Ladungen kippten diese Steinmassen auf meine Einfahrt. Das Rumsen erschütterte das ganze Dorf. Einen Monat später, beim Straßenfest, sprachen mich alle darauf an: „Was war das? Ist dir dein Kaffee auch fast umgekippt?“ fragte einer, der mehrere Häuser weiter wohnt.

Und da hatte ich sie: einen Himalaya aus mittelalterlichen Steinen vor meiner Haustür. Jeder Stein musste einzeln per Sackkarre in den Garten hochtransportiert werden – wir wohnen am Hang, keine Zufahrt. Die schwersten Brocken wogen siebzig bis neunzig Kilo, die leichteren „nur“ dreißig. Alle unterschiedlich groß, grob rechteckig, aber historisch eben.

Bevor ich überhaupt anfangen konnte: sortieren. Große nach links, kleine nach rechts, zerbrochene in die Mitte. Spitze Steine dahin, flache dorthin. Wochenlang trug ich Steine und sortierte wie ein mittelalterlicher Logistiker.

Das Fundament der Qual

Für so schwere Steine braucht man ein ordentliches Fundament. Streifenfundament: ein Meter tief, fünfzig Zentimeter breit, siebzehn Meter lang. Klingt harmlos, oder?

Fünfzehn Kubikmeter Erde. Mit dem Spaten. Per Hand.

Kein Bagger passte in meinen Garten. Also grub ich wochenlang, Schaufel für Schaufel, Anhänger für Anhänger Erde weggebracht. Dann Sand und Kies herangeschafft, wieder per Schubkarre, Ladung für Ladung.

Der Tag des Betonierens war mein persönlicher Höllenritt: 35 Grad, pralle Sonne, sechs Kubikmeter Beton zu mischen. Von sieben Uhr morgens bis einundzwanzig Uhr abends. Meine Neffen (damals 15 und 11) halfen anfangs, mussten aber irgendwann aufgeben. Zum Glück kamen mein Nachbar und mein Bruder zur Hilfe – alleine hätte ich das nie geschafft.

Zwanzig Minuten Mittagspause. Sonst durchgängig gemischt, geschaufelt, gegossen. Am Ende bin ich fast umgefallen vor Erschöpfung.

Stein für Stein zum Traum

Nach dem Trocknen ging es endlich los: mauern. Stein für Stein wuchs meine Burgruine in die Höhe. Kein perfekter Kreis – ein Dreiviertelkreis, zur einen Seite offen. Nicht gerade, sondern wie eine echte Ruine. Alte Stallfenster von Kleinanzeigen eingemauert, damit es nicht zu starr aussieht.

Siebzehn Meter mittelalterliche Mauer, aus achtundzwanzig Tonnen Geschichte.

Die Wahrheit über Träume

Ich liebe diese Burg unfassbar. Sie ist wunderschön, und ich freue mich jeden Tag daran. Aber – und das ist die ehrliche Wahrheit – ich habe mich total verzettelt. Diese Burg war zwei Jahre lang mein Eskapismus aus der Arbeitswelt. Eine wunderschöne Prokrastination.

Manchmal führen uns unsere Träume auch in die Irre. Nicht, weil sie falsch sind, sondern weil wir uns in ihnen verlieren. Als Geschichtenerzähler lebe ich normalerweise in Worten und Welten aus Fantasie. Plötzlich baute ich eine Welt aus Stein und Mörtel – greifbar, schwer, real.

Es war ein Ausflug, den ich nicht bereue. Aber jetzt kehre ich zurück zum Geschichtenerzählen. Der innere Kompass ist neu ausgerichtet.

Der Kreis schließt sich

Übrigens: Der Boden ist noch nicht fertig verlegt. Ich habe extra Platten mit mittelalterlicher Gravierung gekauft. Kies muss noch ran. Schönheitsarbeiten stehen an.

Aber wer weiß? Vielleicht schreibe ich meine nächste Geschichte in dieser Burgruine, beim prasselnden Feuer. Geschichten aus Stein und Geschichten aus Worten – am Ende erschaffen wir alle Welten, in denen wir leben möchten.

Manchmal muss man einen Umweg über achtundzwanzig Tonnen Sandstein nehmen, um zu verstehen, wer man wirklich ist.

Traditionelle Hörspielempfehlung

Wer Lust auf eine entspannende Kriminalgeschichte hat: „Professor van Dusen – Die Perlen der Kalli“ von Michael Koser. Generell ist die Professor van Dusen-Hörspielreihe großartig und unbedingt empfehlenswert, aber diese Folge ist irgendwie besonders schön.

Um seine Gesundheit zu verbessern, muss Professor van Dusen, gefolgt von seinem treuen Chronisten Hutchinson Hatch, eine Weltreise antreten – Klimawechsel. Er steigt in New York auf ein Schiff nach England, und natürlich gibt es sofort einen großen Fall. Noch bevor er überhaupt in England ankommt.

Der Professor, der sich nur in seiner Freizeit der Kriminalistik zuwendet – strikt als Amateur, wie er betont – ist ein genialer Detektiv, wenn auch menschlich nicht unbedingt sympathisch. Was die Serie ausmacht, ist der Erzähler und Begleiter von Professor van Dusen: Hatch. Der Reporter, der auf charmante, lustige, manchmal einfältige, aber stets humorvolle Weise die Fälle niederschreibt und dem Hörer nahebringt, ist einfach großartig.

Ich höre dieses Hörspiel sehr gerne immer mal wieder zum Einschlafen. Es ist einfach schön.

In diesem Sinne: Baut eure Träume, aber vergesst nicht, in ihnen zu leben statt nur an ihnen zu arbeiten.

Diebische Grüße
Paul


PS: Falls jemand historische Sandsteine übrig hat – ich kenne da einen verrückten Burgbauer…